Entwicklung von Eisenhüttenstadt

Eisenhüttenstadt (EHS) liegt an der Oder, zwischen Frankfurt (Oder) und Guben, in der DDR Wilhelm-Pieck-Stadt Guben genannt. EHS ist im Stundentakt über Fürstenwalde und Frankfurt (Oder) mit dem Regionalexpress erreichbar. Dann ist ein Bus zu empfehlen. Mit dem Automobil muss man die A 12 und die B 112 nehmen.
EHS entstand auf ärmsten Sandboden mit Kiefernheide als Wohnstadt für das Eisenhüttenkombinat Ost. Dort sollte mit polnischer Kohle aus sowjetischem Erz deutscher Friedenstahl geschmolzen werden. Außerdem stand die Aufgabe, eine periphere Region zu entwickeln und für den sozialistischen Aufbau zu erschließen. (Eine ähnliche Zielstellung galt für das nördlicher gelegene Schwedt.)
EHS sollte eine sozialistische Stadt werden. Außerdem war und ist EHS die erste und einzige völlig neue Stadtgründung auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland, eine 1950 gegründete Planstadt. Sie erhielt 1953 den Namen Stalinstadt. Nach dem Ende des Personenkults um Stalin erfolgte 1960 die Umbenennung in Eisenhüttenstadt, unter Einbeziehung der bis dahin selbständigen alten Stadt Fürstenberg (Oder). EHS hatte 1988 mehr als 53 000 Einwohner.
In der Gründungsphase von EHS entstanden zunächst schrittweise vier Wohnkomplexe, welche heute die Entwicklung von Architektur und Städtebau in den fünfziger und sechziger Jahren demonstrieren. Später kamen weitere Bereiche dazu. Die ersten Wohnkomplexe, die heute komplett unter Denkmalschutz stehen, sollten jeweils Wohn- und Lebensraum für 5 000 bis 7 000 Menschen bieten: mit kurzem Weg zur Arbeit im Kombinat, als Grundeinheit der Organisation des politischen und kulturellen Lebens, konzipiert und gebaut als Gartenstadt im Klassizismus der „Nationalen Bautradition“, mit Kindergärten, Schulen, Spielplätzen, Grünachsen und Geschäften in jedem Komplex.



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Plan der Wohnstadt EKO, heutiger Stand



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Stadtbebauungsplan von 1953

Quelle: Die Planstadt, Eisenhüttenstädter Gebäudewirtschaft GmbH, 2000, 108 S.


Im Eisenhüttenkombinat arbeiteten 1989 mehr als 12 000 Beschäftigte, heute (2002) nur noch 2 700. Die Einwohnerzahl der Stadt sank von 53 000 auf weniger als 47 000. Probleme sind daher Wohnungsleerstand und Sanierung/Modernisierung der denkmalgeschützten Bausubstanz. Gute Beispiele für Letzteres sind zu sehen und werden auch bei Stadtführungen vermittelt.
Stalinstadt besaß nie ein Stalindenkmal. Auf dem Platz des Gedenkens, früher Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, befindet sich ein sowjetischer Ehrenfriedhof mit einem Obelisk für gestorbene Kriegsgefangene, deren sterbliche Überreste beim Bau des Kombinats gefunden wurden. (Die Wehrmacht errichtete ab Herbst 1939 am Rande von Fürstenberg (Oder) das Kriegsgefangenlager-Stammlager III B ein, ausgelegt für 10 000 Kriegsgefangene. Bis zu 30 000 Gefangene arbeiteten in den zahlreichen Außenlagern.) Das frühere „Haus der Parteien und Massenorganisationen“ ist heute das Rathaus. Als Hauptverbindung zwischen Wohnstadt und Eisenhüttenkombinat und gleichzeitig Demonstrationsachse sollte die Leninallee dienen, heute Lindenallee. Aus dieser frühen Planungsphase wurde nur das Friedrich-Wolf-Theater realisiert, ein neoklassizistischer Musentempel. Später kamen bis Anfang der neunziger Jahre Stahlbetonskelettbauten und andere Bauweisen zur Ausführung. Daher bietet die Straße derzeit kein einheitliches Architekturbild. Der frühere Kindergarten im I. Wohnkomplex, gut proportioniert mit fünf Gebäudeflügeln um einen Innenhof mit Brunnen, beherbergt heute eine Tagesstätte für schwerst behinderte Kinder. Der ehemalige Kindergarten im II. Wohnkomplex dient jetzt dem Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR.