Bernau ist durchaus sehenswert. Von verschiedensten Seiten.
Jüdische Spuren in Bernau
Laut einer Sage gründete Albrecht der Bär die Stadt Bernau, weil er hier auf der Jagd in einem Wirtshaus einkehrte und ihm das Bier so gut schmeckte.
Die älteste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1140. Zwischen 1300 bis 1320 wurde um Bernau herum eine Stadtmauer errichtet. Durch drei Tore konnte man in die Stadt gelangen.
1. Wir beginnen unseren Rundgang am Steintor.
Die Überlieferungen jüdischer Mitbürger aus dieser Zeit sind spärlich. Eine Geschichte mit umstrittenem Wahrheitsgehalt hat sich erhalten:
Paul Frohm soll um 1510 aus der Kirche des Dorfes Knoblauch zwei heilige Stücke mit Hostien gestohlen haben. Er wurde verfolgt und gestand unter Folter, daß er diese Stücke an Juden verkaufen wollte. Das Geständnis war der Auslöser für die erste Judenverfolgung Brandenburgs. Paul Frohm wurde nachweislich auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
200 Jahre später traten erneut Juden in der Stadtgeschichte in Erscheinung.
Vor 1700 lebten 3 jüdische Familien in Bernau. 1737 erhielten die zugezogen Juden Samuel und Jakob Salomon den Status eines Schutzjuden. Dieses Privileg entstand nach teilweise heftigen Ausschreitungen im 12. Jh. Sie wurden als „schutzbedürftige und besonders befriedete Personen“ eingestuft, sie durften keine Waffen mehr tragen, aber ihnen wurde der Schutz des Herrschers zugesagt. Auch der Papst sicherte ihnen 1119 die Freiheit der Religion zu. Für dieses Privileg mussten sie extra Abgaben bezahlen, hatten aber trotzdem nur sehr dürftige Rechte.
Erst 1812 wurden sie in Preußen als mündige Staatsbürger anerkannt, unter der Vorraussetzung, daß sie bürgerliche Namen wie Fließ, Bernau, Steinthal oder Arnheim annahmen.
Ende des 18. Jh. hatten sich mehrere jüdische Familien in Bernau mit Geschäften oder Fabriken etabliert.
Nach vorhanden Seelenlisten waren es 1885 zusammen 29 Personen.
2. Wir gehen weiter in die Brüderstraße.
Früher befand sich hier (auf Höhe des heutigen REWE Marktes) ein sogenanntes Rohproduktgeschäft und eine Pantoffelfabrik der Brüder Friedländer & Löwenthal. An einigen alten Häusern vorbei gehen wir weiter in die
3. Louis- Braille- Straße/ Ecke Brauerstraße.
Hier stand einst der sogenannte Judentempel. Im Haus des Geschäftsmannes Louis Fließ befand sich bis 1892 ein Gebetsraum der jüdischen Einwohner Bernaus, in den Chroniken auch Synagoge genannt. Diese bestand aus einem großem Zimmer, 7,50 lang, 4,50 breit und 2,80 hoch. In der Bernauer Chronik wird auch eine vergitterte Empore für die Frauen beschrieben. Am jüdischen Gottesdienst nahmen die Frauen nicht direkt teil, sondern sahen von der Empore aus zu.
An der östlichen Seite des Raumes befand sich das Allerheiligste, die große und die kleine Thora. Aus der Thora, der Gesetzesrolle, wird beim jüdischen Gottesdienst gelesen.
Die Synagoge war mit Bänken, Pulten, dem Altar und Leuchtern ausgestattet.
Das Haus erwarb Herr Fließ bereits 1778 ebenfalls von einer jüdischen Familie, vom Schutzjuden Moses Salomon.
Ende des 19. Jh. wurde aus der Synagoge eine Werkstatt, da die erforderlichen 10 Männer, die für eine Gemeinde vorgeschrieben sind, nicht mehr in Bernau lebten. Der Gottesdienst wurde dann in Altlandsberg oder Biesenthal abgehalten.
Im 20. Jh. beherbergte das Haus ein Textil- und Spielwarengeschäft. Seine Fensterscheiben wurden in der Reichskristallnacht zerschlagen.
Heute erinnert hier eine Tafel an die Ereignisse. Sie wurde 1997 angebracht.
4. Wir wenden uns in die Rosstraße.
Hier stand vor dem Abriss das erste Bernauer Städtische Krankenhaus. Der jüdische Mediziner Dr. Isaak Pollnow leitete das Krankenhaus. Er wirkte von 1837 bis 1890 in Bernau, einer Zeit in der Pocken , Cholera, Diphterie und die Ruhr die Bevölkerung Bernaus dezimierten. Er erwirkte wesentliche hygienische Maßnahmen. Das Ablassen der Jauche auf die Straße wurde untersagt und
eine Verordnung über Fleischbeschau durchgesetzt.
Isaak Pollnow gehört zu den Ehrenbürgern der Stadt Bernau.
5. Wir gehen zurück in die Brauerstraße.
An der Ecke befand sich einst das Sämereiengeschäft des jüdischen Bürgers Schuster, nebenan wohnte der jüdische Rechtsanwalt und Notar Riegner.
Wir laufen die Brauerstraße entlang bis zum
6. Marktplatz.
Das Rathaus erzählt über Gesetze die in der Zeit von 1933 bis 45 gegen jüdische Mitbewohner durchgesetzt wurden.
Nachdem jüdische Kinder nicht mehr in Bernau zur Schule gehen durften, wurden sie privat unterrichtet.
1933 wurden jüdische Händler vom Wochenmarkt ausgeschlossen.
1935 waren am Ortseingang Schilder „Juden unerwünscht“ angebracht.
1939 waren in Bernau alle jüdischen Geschäfte enteignet.
1941 mussten alle Bernauer Juden einen Judenstern tragen.
Einige jüdische Familien flohen, darunter auch der Baustoffhändler Haase. Das Adressbuch wies 1938 nur noch 5 jüdische Namen aus. Bernauer Juden verschlug es bis Amerika.
Am 13. April 1942 mussten sich die Familien Schuster (mit 3 Kindern), Lehmann (mit 2 Kindern), das Ehepaar Lubinsky, eine Witwe und ihre Tochter sowie Fritz Heymann.
Sie wurden in einem Polizeiauto nach Berlin in ein Sammellager in der Synagoge der Letzowstraße und danach nach Warschau ins Ghetto deportiert.
Über die Familie Lehmann gibt es eine außergewöhnliche Geschichte zu erzählen.
Dazu gehen wir weiter in die
7. Bürgermeisterstraße.
Auf der linken Seite der Straße befand sich das Pelzgeschäft der Familie Lehmann. Im Zuge der Stadtsanierung 1978 wurde auch dieses Haus abgerissen.
Die Lehmanns, zwei Brüder waren praktizierende Christen. Die gesamte Familie Willi Lehmann wurde wie erwähnt nach Warschau ins Ghetto transportiert.
Der Bruder, Eugen Lehmann, organisierte von Bernau aus den Kontakt zur Familie und Lebensmittellieferungen. Mit seiner Unterstützung konnten Willi und seine Frau außerhalb des Ghettos in einer Pelzfabrik arbeiten. Es gelang die Flucht aus dem Ghetto kurz vor dem Aufstand. Die Kinder wurden unter Pelzen versteckt aus dem Ghetto geschmuggelt, kamen bei einer polnischen Arztfamilie unter und wurden dann von der polnischen Frau mit dem Zug nach Berlin gebracht.
Dort überließ die Frau die Kinder sich selbst. Die Kinder baten an der ersten Tür um Hilfe, riefen ihren Onkel in Bernau an und wurden bei Verwandten in Lichtenberg untergebracht.
Dann floh auch Margarete Lehmann aus dem Ghetto. Sie wurde in einem Sommerhäuschen in Wullwinkel nahe Bernau untergebracht und mit Lebensmitteln versorgt. Später ging die Flucht bis ins Erzgebirge weiter. Nahe einem Ort der tschechischen Grenze überlebten die drei bis die Flüchtlingsströme aus dem Osten kamen. Dann meldeten sie sich als Flüchtlinge aus Oberschlesien und erhielten Lebensmittelkarten und Papiere.
Zuletzt floh Willi mit Hilfe eines Eisenbahners nach Neustrelitz und hielt sich dort bis zum Ende des Krieges bei seiner Schwester versteckt.
Nach dem Ende des Krieges fand die Familie in Bernau wieder zusammen, zog in die alte Wohnung ein und lebte bis 1960 in Bernau. Dann verließen sie die DDR.
Wir setzten den Spaziergang durch Straßen fort, in denen früher jüdische Geschäfte das Stadtbild bestimmten.
8. Berlinerstraße.
Hier befand sich in der Nr. 34 das Damenhutgeschäft von Herrn Markus, in der Nr. 31 das Herrenbekleidungsgeschäft von Herrn Heymann und das Kurzwarengeschäft von Herrn Schweriner.
Unsere nächste Station ist das
9. Gericht.
Das Eckhaus gegenüber gehörte dem Chemieabrikanten Moses. Die Fabrik befand sich hinter der Bahn.
Das Amtsgericht als Symbol für die systematische Entwürdigung der jüdischen Bürger und Bürgerinnen Bernaus.
Abraham Löwenthal beantragte am 1.1.1939 die Eintragung des Vornamens Israel. Jüdische Männer und Frauen mussten nach einem Gesetz vom 17.8.1938 die Vornamen Israel, bzw. Sara tragen. Die Eintragung mussten sie selbst beantragen.
Der Bernauer Ernst Koch wurde am 3. Juli 1942 wegen Beschäftigung einer Jüdin, Nichtzugehörigkeit zur Partei und Ablehnung des deutschen Grußes verurteilt. Wegen staatfeindlicher Betätigung verlor er sein Ruhegehalt.
Wir beenden unseren Spaziergang in der
10. Breitscheidstraße.
Am Haus gegenüber des Kulturhofes befand sich bis vor kurzem die Aufschrift „Seidenwarenfabrik“. Hier stand sich die Seidenwarenfabrik des jüdischen Fabrikanten Löwenthal.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Geschichtswerkstatt des bbz Bernau.