Mit der Bahn nach Rheinsberg (Mark)

Um auf die Idee zu kommen von Berlin nach Rheinsberg zu fahren bedarf es eines Hangs zu literarischer Leidenschaft, lokaler Herkunft oder einer besonderen Liebe zur Eisenbahn. Die schnellste Verbindung mit der Bahn dauert 1 h 58 min, andere Varianten durchaus schnell eine Stunde länger. Ich entschied mich also aus zeitlichen Gründen für die Kürzeste. Knapp 2 h dösend, lesend und entspannend durch die liebliche Landschaft Nord-Brandenburgs zu fahren erschien mir als die richtige Lösung. Nach einem Blick auf den Fahrplan in Berlin-Ostbahnhof wurde jedoch schnell klar, dass der Beginn der entspannten Reise wohl erst in Berlin-Lichtenberg sein würde, da bis dort zunächst die S-Bahn zu nehmen war.



Dort angekommen, in Erwartung eines gemütlichen Sitzplatzes in einem mäßig gefüllten Zug, musste ich jedoch schnell feststellen, dass es sich bei dem Zug lediglich um 2 aneinandergekoppelte Triebwagen handelte, die bei der Bahn unter „Regionalbahn“ firmieren. Die zwischenzeitlich eingetretene leichte Anspannung begann sich auch nicht zu lösen, als ich das Abteil betrat, das wider Erwarten voller eigentlich arbeitsloser und schlechtgekleideter Brandenburger Jugendlicher war. Die Frage nach deren Aufgabe und Berechtigung sich just in diesem Moment in meinem Abteil aufzuhalten, wagte ich nicht zu stellen. Nach dem ich neben einer mürrisch-skeptisch dreinblickenden Frau endlich einen Sitzplatz gefunden hatte konnte die Reise nun also endlich beginnen. Nach einer knappen Stunde musste ich nun das erste Mal in Löwenberg (Mark) umsteigen. Einerseits wollte ich nicht schon wieder aufstehen, doch andererseits schien mir die Perspektive in einem anderen Zug einen angenehmeren Platz zu finden doch sehr verlockend. So stieg ich in Löwenberg (Mark), einem Idyll aus verlassenen Gebäuden und von Gräsern überwucherten Bahngleisen aus um nach wenigen Minuten in die Regionalbahn nach Herzberg (Mark) umzusteigen. Nachdem ich 17 Minuten in einem angenehm duftenden nahezu leeren Abteil Wiesen und Felder genießen konnte stand der nächste Wechsel des Verkehrsmittels an. In Herzberg ging es nun in einen Regionalexpress in Richtung Rheinsberg. Dieser bestand im Übrigen aus den gleichen 2 Triebwagen wie die Regionalbahn.







Nach exakt 1h 58 min bin ich nun doch fahrplangerecht in Rheinsberg angekommen. Das kollektive Erlebnis mit so vielen Nord-Brandenburgern in einem engen Zug zu sitzen, gemeinsam umzusteigen, schnell eine Zigarette vor der nächsten Abfahrt zu rauchen und schließlich fast allein auf der letzten Etappe nach Rheinsberg zu fahren hat mir Nord-Brandenburg emotional ein Stück näher gebracht. Nach dem 3. Umsteigen erfährt man was es heisst genügsam und anspruchslos zu werden. Man harrt der Dinge die da kommen mögen. So ist es nicht nur eine Fahrt zwischen zwei Punkten sondern nahezu ein sinnliches Erlebnis, ein schönes Stück Lebenserfahrung.
pho June 2004