Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs
Öffentliche Verkehrsmittel haben eine hohe Bedeutung, obwohl diesen Fortbewegungsmitteln im Allgemeinen viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Jeder Mensch, der schon mal in einer nordamerikanischen 100.000 Einwohner Stadt im Mittleren Westen war, wird Bus, Straßenbahn und S-Bahn besonders zu schätzen wissen.
Mit nüchternen und versuchten objektiven Blick ist festzustellen, dass Potsdam ein wirklich gut ausgebautes Netz an diesen Fortbewegungsmitteln vorweisen kann.
Die Fahrt ist zudem immer ein Erlebnis. Wer im Berufsverkehr in der vollen Bahn sitzt und die Gespräche der Menschen mitbekommt, weiß wie die Welt wirklich ist.
Leider ist dieses Erlebnis nicht mehr für alle erschwinglich. Das einzige was über Jahre scheinbar konstant bei den Verkehrsbetrieben ist, sind die regelmäßigen Preiserhöhungen, die natürlich mit dem verbesserten Komfort und Service nur zu unser aller Besten sind...
Der Anfang in Preußen
Eine Pferdebahn in der Brandenburger Straße – heute Fußgängerzone und preußische (Shopping)Meile – war am 12. Mai 1880 der Startschuss für die organisierte, schienengebundene öffentliche Mobilität der Potsdamer und Potsdamerinnen.
Schon seit Mitte dem 19. Jahrhundert verkehrten so genannte Pferdebusse auf zwei Linien durch die Stadt.
Die schon seit längerem geplante Elektrifizierung wurde nach langjähriger Streitereinen und Planung vollbracht und im Sommer 1907 fuhr die erste elektrische Straßenbahn Probe. Am 2. September des selben Jahres gingen die drei Linien in Betrieb, die jedoch bis auf den Anschluss zum Bahnhof Potsdam über die Lange Brücke nur auf der Westseite der Havel rollten. In dem selben Jahr wurde auch der Verkehrshof in der Holzmarkstraße, neben der heutigen Humboldtbrücke, in Betrieb genommen.
Bis zum Ende des ersten Weltkrieges war das Streckennetz z.B. mit der Erschließung des Arbeiterviertels Nowawes oder des Luftschiffhafen erweitert.
Nationalsozialistische Zeit
Mit Beginn der dunklen Epoche schienen die Nationalsozialisten das Projekt der Streckenerweiterung zum Bahnhof Rehbrücke als geeignet, um der Bevölkerung ihren Machtanspruch zu demonstrieren.
Im Jahr 1934 fand eine Umwandlung des Verkehrsbetriebes statt, indem die Stadt Potsdam zwar den Eigenbetrieb aufrecht erhielt, doch der eigentliche Grund in der Gleichschaltung der gesamten staatlichen und gesellschaftlichen Apparate durch die faschistische Reichsregierung lag. Der damalige Oberbürgermeister Potsdam war mit Dr. Friedrichs ein Mann mit NSDAP- Vergangenheit und guten Kontakten zum preußischen Ministerpräsidenten und Reichsmarschall Göring. Dieser verhalf ihm zu seinem Plan der Eingemeindung Nowawes, welches 1938 - weil zu slawisch klingend - in Babelsberg umbenannt wurde. Dadurch fiel auch „Städtische Omnibusbetrieb Babelsberg“ an Potsdam.
In dieser Zeit stieg auch die Nachfrage an Arbeitskräften in der Rüstung, sodass einige Fahrten und Streckenabschnitte des etwa 20 Kilometer langem Netz eingestellt wurden.
Seit 1943 wurden 50 Zwangsarbeiter aus den besetzten Niederlanden bei den Verkehrsbetrieben eingesetzt, die auch die Funktion des Schaffners und Zugführers übernahmen.
Durch den Krieg gebeutelt, wurden immer mehr Kapazitäten in den Transport von Gütern anstatt von Personen gesteckt und die Versorgungsmängel von Kohle zur Stromerzeugung verursachten weitere Reduzierungen des Fahrplanangebotes. Diese Entwicklung fand mit dem Tag von Potsdam ein abruptes Ende, denn die 1716 Tonnen Bomben die auf Potsdam niederprasselten legten weite Teile der Stadt in Schutt und Asche. In den folgenden Tagen waren die einzigen Straßenbahnen die eingesetzt wurden, fünfzehn - von den Nazis als Barrikade gegen die anrückenden Alliierten aufgeschichtete – Beiwagen und Pferdebahnwagen.
Die Zeit nach dem Krieg
Nach dem fortschreitenden Wiederaufbau, wuchs der öffentliche Nahverkehr wieder an. Ende 1951 hatten über 600 Menschen eine Anstellung bei den Verkehrsbetrieben und es wurden monatlich 2,5 Millionen Personen befördert.
Nachdem 1955 durch den neuen Direktor der Verkehrsbetriebe das Rauchen in den Straßenbahnen endgültig verboten wurde, zeichnete sich in 1960 mit der Umbenennung des Bahnhof Potsdam Süd (heute Pirschheide) in Potsdam Hauptbahnhof der bevorstehende Mauerbau ab. Daraufhin verlor der Bahnhof Potsdam Stadt (heute Hauptbahnhof) an Bedeutung, denn der Reiseverkehr sollte um Westberlin geleitet werden. Anfang der Sechsziger Jahre wurden aus Kostengründen die Schaffner in den Straßenbahnen wegrationalisiert und Zeitkarten eingeführt, die beim Einstieg dem Triebwagenführenden vorzuzeigen war. Zudem mussten eine Signalanlage installiert werden, damit beim Türenschließen das Unfallrisiko gemindert werden konnte.
Interessanterweise wies das neue Bezahlsystem große Lücken auf, sodass Schwarzfahren immer beliebter wurde. Doch aus diesen Gründen waren die Zahlkästen durchsichtig und die Sitzplätze um genau diese mit der Aufschrift „Platz des Vertrauens“ gekennzeichnet.
In den Anfangsjahren ging das Konzept auf, denn viele Menschen achteten tatsächlich auf die Zahlungsmoral der Fahrenden, doch wurden alsbald von den Verkehrsbetrieben ehrenamtliche Kontrolleure geworben.
Eine Anstellung bei den Verkehrsbetrieben als Triebwagenführer oder Triebwagenführerin galt bis zur Wende als eher unattraktiv, denn neben dem Schichtsystem schreckte vor allem die vergleichsweise geringe Bezahlung potentiell Interessierte ab.
Um der enormen Wohnungsnachfrage Einhalt zu bieten wurden seit den Siebzieger Jahren große Plattenbausiedlungen im Südosten Potsdams geplant und gebaut. Daher sollte so schnell wie möglich das Wohngebiet „Am Stern“ mit einer Straßenbahntrasse erschlossen werden. Die ursprünglichen Pläne sahen einen Anschluss über die heutige Großbeerenstraße an die Babelsberger Straßenbahnlinie vor, doch die Stadt entschied sich letztendlich für eine Streckenführung von der Heinrich- Mann Allee über die Nuthewiesen zum Stern.
Ende der Siebziger wurde in Potsdams schließlich eine weitere Innovation eingeführt. Fahrkarten mussten nun im Vorverkauf erworben werden, um dann anschließend in den Straßenbahnen selbst an Automaten entwertet zu werden.
Doch dieses System währte nur etwa 10 Jahre denn die Tintenaufdrucke der Entwerter – welche im Übrigen häufig kaputt waren – ermutigten die Schwarzfahrer zu neuer Kreativität bzw. verursachten oftmals schmutzige Hände oder Kleidung.
Anfang 1980 wurde mit dem Bau der Stern-Strecke begonnen, welche bereits zwei Jahre später eröffnet wurde.
In den Jahren bis zur Wende stieg das Fahrgästeaufkommen auf über 42 Millionen jährlich an. Zusätzlich wurde das Liniennetz durch neue Wohngebiete auf eine Länge von knapp 85 Kilometern ausgebaut und 99 Haltestellen bedient.
Die Wende
Die Wende verursachte kurzfristig einen in dieser Form ungeahnten Personalmangel, sodass sogar einige Linien eingestellt bzw. reduziert werden mussten.
Eine weitere Urasche dafür war die sprunghaft gewachsene Zahl des motorisierten Verkehrs, der einen Fahrgästerückgang von etwa 25 Prozent verursachte.
Trotzdem startete der im Dezember 1990 gegründeten „ViP“ (Verkehrsbetrieb in Potsdam) zahlreiche Erneuerungen. Neben Werbekampagnen um die Nachfrage wieder zu steigern, bekamen die Busse und Bahnen neue Anstriche und konnten als Werbeträger genutzt werden. Zudem wurden die Gleisanlagen modernisiert und nach und nach die Betonwartehäuschen durch gläserne ersetzt.
Mit der Wiedereröffnung des S-Bahn Verkehr nach Berlin 1992, stieg auch das erste mal seit der Wende wieder das Fahrgästeaufkommen.
Die letzten beiden großen Streckenerweiterungen waren zum Einen ab 1992 die ins Neubaugebiet Drewitz bzw. 1998 die Verlängerung ins frisch errichtete Kirchsteigfeld und zum Anderen die Erschließung des Potsdamer Nordens im Rahmen der BUGA und der Entwicklung des Bornstedter Feld.
Derzeit geistern zahlreiche Visionen durch die Köpfe der Politiker, doch scheint mittelfristig nur die Straßenbahnverbindung zwischen Babelsberg über das Filmparkgelände zur Stern-Strecke vor der Verwirklichung zu stehen.
Ausgesprochen wurden jedenfalls auch eine Linie nach Teltow und die Verlängerung der Rehbrücke- Bahn nach Bergholz Rehbrücke.